Von der peruanischen Seite des Titicacasees machten wir uns also auf zur bolivianischen Seite, an sich eine dreistündige Busfahrt, wenn da nicht unüberwindbare Hindernisse im Kopf des Busfahrers auftauchen würden, wie zum Beispiel kleine Hügel in Baustellen, die nur für uns abgetragen werden müssen (alle anderen konnten drüberfahren), die krachende Gangschaltung oder das Abwürgen des Motors, es wurden dann vier Stunden.
Copacabana liegt am Südende des Sees und ist rundum hübscher und attraktiver als Puno. Dies ist in sofern überraschend, als das Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist und in der Vergangenheit durch Landverluste am Pazifik und Abwanderung der Ressourcen des Landes in ausländische Investorenhände auch langfristig chancenlos gestellt wurde. Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten staatlich angeordnete Enteignungen im Erdölsektor nicht gänzlich überraschend. Weniger als ein Viertel der Strassen sind befestigt und weniger als zehn Prozent asphaltiert. Unter der Armut leidet die ganze Infrastruktur, die wir vor allem im Bereich der Kommunikation in den vorherigen Ländern als sehr gut empfunden haben.
Für Westler ist das Preisniveau (vor allem im Vergleich zu den touristisch dominierten Orten in Peru) dementsprechend günstig. Wir bezogen ein sehr nettes, neues und gnadenlos günstiges Hostal mit Blick auf den See und diskutierten zunächst noch über den Haken, der sich dann aber bei der Dusche zeigte, die nicht nur kalt war (das kennen wir mittlerweile) sondern obendrein auch noch elektrische Schläge verteilte.
Noch am Nachmittag liessen wir uns per Boot zur „Isla del Sol“ bringen. In der Nähe von Copacabana liegen zwei Inseln, die Isla del Sol und die Isla del Luna, die in der Mystik der Inka eine bedeutende Rolle spielten. Auf der Mondinsel war ein Inkatempel untergebracht, in dem die „Jungfrauen der Sonne“ lebten und wohl auch geopfert wurden. Auf der Sonneninsel liess der Sonnengott Inti seine beiden Kinder zur Erde. Die Inka errichteten zu deren Ehren mehrere Tempel auf der Insel und bewirtschafteten Teile in Treppenbeeten. Wir bestiegen diese „Inkatreppe“, die bis heute bewirtschaftet wird und in einem sehr guten Zustand ist und konnten einen beeindruckenden Blick über den Titicacasee geniessen.
Zurück in Copacabana wollten wir nach dem Abendbrot noch das Nachtleben der Stadt ergründen, erfuhren jedoch schon von dem Wirt, dass die Bevölkerung sehr „katholisch“ sei und daher spätestens um 22:00 die Kanntsteine hochgeklappt würden. Dennoch folgten wir lauter Musik und stiessen auf das deutliche Gegenteil der beschworenen Froemmigkeit. Mitten in der Stadt wurde eine Hochzeit gefeiert: als wir so um 21:30 hinzustiessen verliessen bereits die ersten auf allen vieren stockbesoffen die Veranstaltung. Um alle anderen war es nicht besser bestellt, ein Saufgelage vergleichbarer Form hatten wir noch nicht gesehen: alle Altersklassen von 15 bis 80 waren stark alkoholisiert, in der Folge mussten selbst die Babys auf den Ruecken der Muetter so manchen Stoss und wildes Drehen aushalten. Eine alte Dame, die sofort Hendrik zum Tanzpartner genommen hatte viel bei der ersten Drehung auch schon fast um. Als einzige Westler waren wir die ultimative Attraktion und wurden noch am naechsten Tag angesprochen… Wir lernten viele Copacabanesen und zugereiste Bolivianer kennen, die uns alle ebenfalls abzufuellen versuchten. Sprachliche Probleme bestanden auf jeden Fall ausnahmsweise nicht auf unserer Seite. Wir verliessen die Veranstaltung, bevor uns einer unserer neuen „amigos-copacabana-alemania“ mit seinen Toechtern verheiraten konnte.
Am Folgetag vermissten wir in der Kirche so einige der Gesichter vom Vorabend – vielleicht hat der Wirt ja nicht fuer alle gesprochen. Ein Highlight gab es aber dennoch: die Segnung der Autos, die nur in Copacabana regelmaessig durchgefuehrt wird. Dabei ist dann das Auto geschmueckt, die ganze Familie anwesend und auch die Hausmonstranz wird mitgenommen – so manches Auto hatte es auch dringend noetig.
Mittags ging es recht unspektakulaer weiter nach La Paz und in Richtung Dschungel.
Hasta luego
